

Antrittsbesuch: Merz setzt in Washington auf persönlichen Draht zu Trump
Die Zukunft der Nato, der Ukraine-Krieg, der Zollstreit - dies sind die Top-Themen beim Antrittsbesuch von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bei US-Präsident Donald Trump in Washington. Merz traf in der Nacht zum Donnerstag in der US-Hauptstadt ein und sollte später im Weißen Haus empfangen werden. Angesichts der Spannungen im Verhältnis zu den USA seit dem Amtsantritt Trumps wird besonders aufmerksam verfolgt, ob Merz und Trump einen guten persönlichen Draht zueinander finden.
Merz wird am Vormittag (11.30 Uhr Ortszeit) vom US-Präsidenten im Weißen Haus empfangen. In dem anschließenden Vier-Augen-Gespräch sowie bei einem gemeinsamen Mittagessen will er einen persönlichen Draht zu Trump entwickeln und einen Neustart für eine verbesserte Zusammenarbeit bei den außenpolitischen Top-Themen erreichen. Für 12.45 Uhr (Ortszeit) ist eine Pressebegegnung im Oval Office geplant.
Seit seinem Comeback ins Weiße Haus im Januar hat der Trump die Verbündeten und Partner mit seiner radikalen America-First-Politik (Amerika zuerst) vor den Kopf gestoßen. In der Nato droht er damit, Partner-Staaten bei zu geringen Militärausgaben den Beistand zu verweigern, bei der Ukraine steht im Raum, dass er ihr die US-Unterstützung verweigert und sie somit an Russland ausliefert, und im Zuge seiner aggressiven Zollpolitik wurden erst am Mittwoch die US-Einfuhrzölle für Stahl und Aluminium verdoppelt.
Was die Nato angeht, hat Merz die Zusage der neuen Bundesregierung im Gepäck, die Verteidigungsausgaben in den kommenden Jahren erheblich zu erhöhen und am Ende fünf Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, also 3,5 Prozent für Militärausgaben sowie 1,5 Prozent für verteidigungsrelevante Infrastruktur. Die von Trump seit Jahren betriebene Deutschland-Schelte wegen zu geringer Militärausgaben dürfte damit ins Leere laufen.
Ende Juni findet der nächste Nato-Gipfel in Den Haag statt, auf dem die Verpflichtung zu höheren Verteidigungsausgaben beschlossen werden soll - die Europäer hoffen dann auf ein klares Bekenntnis der USA zur Allianz.
Im Ukraine-Krieg hat es seit Trumps Amtsantritt seit langem wieder Bewegung in den diplomatischen Bemühungen um eine Waffenruhe gegeben. Der US-Präsident, der den Krieg binnen 24 Stunden beenden wollte, zeigte sich zuletzt allerdings von beiden Seiten zunehmend genervt und teilte sowohl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin als auch gegen den ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj aus.
Merz wird in dem Gespräch alles daran setzen, Trump, der vor allem die Europäer in der Verantwortung sieht, in den Bemühungen um ein Ende des Krieges an Bord zu halten. Anfang der Woche traf er den republikanischen US-Senator Lindsay Graham in Berlin, der im Senat ein hartes Sanktionspaket vorbereitet. Dieses soll auch Länder treffen, die russisches Öl und russische Rohstoffe importieren und so den Krieg mitfinanzieren, dabei vor allem China. Es ist nicht klar, ob Trump diese Initiative unterstützt; sie wäre klar gegen Putin gerichtet.
Im Zollstreit hat Trump eine Reihe von Zöllen gegen Partner und Konkurrenten auf dem Weltmarkt verhängt, um die heimische Wirtschaft zu schützen und Arbeitsplätze in den USA zu schaffen; sein harter handelspolitischer Kurs hat die weltweiten Lieferketten und die Aktienmärkte erschüttert.
Die Europäische Kommission verhandelt mit der US-Regierung, um eine Eskalation abzuwenden. Merz wird als Kanzler des wirtschaftsstärksten Landes in Europa eine Reihe von Argumenten anführen können, weshalb die Zölle allen Seite schaden. Mit Verweis auf die Wirtschaftsmacht Europas sagte er, es gebe keinerlei Grund für ihn, in Washington als "Bittsteller" aufzutreten.
Außenminister Johann Wadephul (CDU), der in der vergangenen Woche seinen Antrittsbesuch in Washington absolvierte, sieht das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA derzeit in der Krise. "Der Ton ist so rau wie lange nicht", sagte er.
"Trumps Markenzeichen ist eben die Unberechenbarkeit", sagte der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Metin Hakverdi (SPD, im Gespräch mit AFP. Es wäre schon "ein Gewinn für uns, für Europa und für die USA", wenn Merz und Trump "einen ganz guten persönlichen Draht miteinander entwickeln - weil Spitzenpolitik immer auch persönliche Beziehungen mit einschließt, erst recht bei diesem US-Präsidenten".
U.Dumont--JdB