

Wahlkampfabschluss in Polen vor Präsidentenwahl - Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet
Vor der mit Spannung erwarteten zweiten Runde der Präsidentschaftswahl in Polen haben die beiden Kandidaten am Freitag ihren letzten Wahlkampfkundgebungen abgehalten. Umfragen zufolge könnte es am Sonntag in der Stichwahl ein äußerst enges Rennen zwischen dem liberalen Pro-Europäer Rafal Trzaskowski und seinem rechtsnationalistischen Konkurrenten Karol Nawrocki geben. Trzaskowski kam zuletzt in Umfragen auf 50,6 Prozent, Nawrocki auf 49,4 Prozent - eine winzige Differenz innerhalb der Fehlermarge.
Ein Sieg Trzaskowskis würde den Weg frei machen für die Reformen der pro-europäischen Regierung von Donald Tusk. Mit Nawrocki hingegen wäre eine Fortsetzung der Blockadepolitik des scheidenden Staatschefs Andrzej Duda zu erwarten. Die erste Wahlrunde am 18. Mai hatte Trzaskowski mit nur gut einem Prozentpunkt Vorsprung knapp gewonnen.
"Wenn die Wahlbeteiligung so hoch ist wie 2023, werden wir diese Präsidentschaftswahl gewinnen", erklärte Trzaskowski am Freitag bei einer Wahlkampfveranstaltung in der nördlichen Stadt Chojnice. Mit Nawrocki als Präsident würde es "Chaos" geben, betonte er mit Blick auf seinen rechtsnationalistischen Widersacher.
Nawrocki nutze seinerseits die letzten Momente des Wahlkampfes, um Blumen an einem Denkmal für während des Zweiten Weltkriegs von ukrainischen Nationalisten getöteten Polen niederzulegen. "Es war ein Völkermord an den Polen", sagte er und fügte hinzu: "Ich werde der Präsident Ihrer Zukunft sein. Die Vergangenheit und die Zukunft können wieder vereint werden."
Die Präsidentschaftswahl gilt als richtungsweisend in dem EU- und Nato-Mitgliedstaat. Trzaskowski, ein ehemaliger Minister und EU-Abgeordneter, gehört wie Tusk der liberal-konservativen Bürgerplattform an. Der 42-jährige Nawrocki ist ein politischer Neuling und parteilos, wird aber von der rechtsnationalen früheren Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unterstützt.
Ein Sieg des 53-jährigen Trzaskowski wäre ein wichtiger Schub für Tusk, den früheren Präsidenten des Europäischen Rates, der bei der Parlamentswahl 2023 an die Macht in Polen zurückgekehrt war.
Das Ergebnis der Stichwahl, das wegen der knappen Umfragewerte erst am Montag feststehen könnte, wird in Europa und darüber hinaus mit Spannung erwartet, denn Nawrocki könnte die Unterstützung Polens für die Ukraine bei der Abwehr des russischen Angriffskrieges in Frage stellen. Bisher ist Warschau einer der engsten Verbündeten Kiews. Beobachtern zufolge könnte ein Sieg Nawrockis zudem zur Neuwahl des Parlaments führen.
Die Politikexpertin Anna Materska-Sosnowska bezeichnete die bevorstehenden Wahl als "echten Kampf der Kulturen" und verwies auf die großen politischen Differenzen zwischen den Kandidaten auch in Fragen wie Abtreibung oder LGBTQ-Rechten. Angesichts des zu erwartenden knappen Rennens warnte sie vor voreiligen Siegesfeiern am Sonntagabend.
Der Präsident hat in Polen zwar nur begrenzte Befugnisse. Er ist aber Oberbefehlshaber der Streitkräfte, bestimmt die Außenpolitik und hat das Recht, Gesetze einzubringen oder sein Veto gegen sie einzulegen.
R.Michel--JdB